In einer Zeit, in der sich die humanitäre Tragödie im Gazastreifen verschärft – UNICEF zufolge steht der Sektor vor der ersten gesicherten Hungersnot im Nahen Osten – bleibt die Haltung Deutschlands zwiespältig. Das Land schwankt zwischen seiner historischen Verantwortung als Besatzungsmacht und dem Druck der nationalen und internationalen Öffentlichkeit. Die Bilder von Menschen, die barfuß und ohne Gliedmaßen unterwegs sind, sowie von Müttern, die ihre hungrigen und verwundeten Kinder tragen, wie das ZDF im vergangenen September berichtete, sind zum Symbol einer tragischen Phase geworden, die nicht ignoriert werden kann.
Auf europäischer politischer Ebene haben die Entwicklungen zu einer Neubewertung der Positionen geführt: Frankreich und Großbritannien haben den Staat Palästina anerkannt. Der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete dies in Äußerungen, die auf ZDFheute veröffentlicht wurden, als „ersten Schritt zum Frieden“. Deutschland hingegen blieb zurückhaltend. Bundeskanzler Friedrich Merz von der CDU bekräftigte, dass die Anerkennung der letzte und nicht der erste Schritt auf dem Weg zur Zwei-Staaten-Lösung sein müsse. Die mitregierende SPD – Vertreterin der Vorgängerregierung – sah die Anerkennung hingegen als möglichen Anfang eines neuen politischen Prozesses und nicht als dessen Ende.
Doch die deutsche Öffentlichkeit scheint weiter zu sein: In einer Umfrage des ZDF-Politbarometers im September 2025 befürworteten über 60 % der Deutschen die Anerkennung eines unabhängigen palästinensischen Staates durch Berlin. 62 % waren der Meinung, Deutschland solle mehr politischen Druck auf die Besatzungsmacht ausüben, während 83 % der Befragten forderten, Waffenexporte müssten gestoppt werden, wenn sie gegen Zivilisten im Gazastreifen eingesetzt würden.
Die Angelegenheit beschränkt sich nicht auf Meinungsumfragen, sondern reicht bis in den Deutschen Bundestag hinein. So berichtete die Zeitung Welt am 25. September 2025, dass vier Abgeordnete der Partei Die Linke die palästinensische Flagge im Plenarsaal des Bundestags hissten und daraufhin von der Sitzung ausgeschlossen wurden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtete daraufhin über die fälschliche Entfernung eines Fotojournalisten während der Berichterstattung. Zuvor, im Juni des vergangenen Jahres, meldete ZDFheute den Ausschluss der Abgeordneten Canan Kocak, da sie ein T-Shirt mit der Aufschrift „Palestine“ trug. Diese Ereignisse spiegeln die hohe Sensibilität im Umgang mit palästinensischen Symbolen in Deutschland wider und enthüllen eine tiefe Spaltung zwischen denjenigen, die die Unterstützung Palästinas als prinzipielle Haltung betrachten, und denjenigen, die befürchten, dies könnte als Verstoß gegen die parlamentarische Ordnung gewertet werden.
Die Debatte hat sich inzwischen auch auf die deutschen Straßen ausgeweitet. In Berlin und anderen Großstädten wie Hamburg und Frankfurt kam es zu massiven Demonstrationen, bei denen die Teilnehmer palästinensische Flaggen schwenkten und Parolen riefen, in denen sie ein Ende des Gaza-Krieges und die Anerkennung des Rechts der Palästinenser auf einen unabhängigen Staat forderten. Im September und Oktober 2025 veröffentlichten deutsche und internationale Medien Bilder von Tausenden Demonstranten. Diese Szenen bestätigen, dass die Stimme der zivilgesellschaftlichen Solidarität mit Palästina lauter ist als je zuvor. Die Öffentlichkeit begnügt sich nicht mehr mit Umfragen, sondern beteiligt sich aktiv an diesen Protesten. Dies spiegelt einen allmählichen Stimmungswandel wider und erhöht den Druck auf die Entscheidungsträger in Berlin, ihre traditionell zurückhaltende Politik bezüglich der Anerkennung Palästinas zu überdenken.
Die Bundesregierung erneuerte ihre Haltung in einer offiziellen Erklärung, die am 7. Oktober 2025 – dem zweiten Jahrestag des Angriffs der Hamas – auf der offiziellen Regierungswebsite bundesregierung.de veröffentlicht wurde. Kanzler Merz bekräftigte das Recht der Besatzungsmacht auf Selbstverteidigung gegen das, was er Terrorismus nannte, betonte aber auch die Notwendigkeit der Einhaltung des humanitären Völkerrechts. Er kündigte zudem die Aussetzung einiger Waffenexporte an, die in Gaza eingesetzt werden könnten. Diese doppelte Formulierung – bedingungslose Unterstützung für die Besatzungsmacht einerseits, Sorge um die humanitäre Katastrophe andererseits – spiegelt Berlins ständigen Versuch wider, zwischen seiner Vergangenheit, seiner historischen Verantwortung für die Verbrechen der Nationalsozialisten und seiner aktuellen politischen Realität abzuwägen.
Inmitten dieser europäischen und deutschen Debatte trat Kairo – unterstützt durch Präsident Abd al-Fattah as-Sisi – als zentraler Akteur hervor, indem es die Verhandlungen von Sharm el-Sheikh zwischen Vertretern der Besatzungsmacht und der Hamas vermittelte. Das ägyptische Außenministerium kündigte laut mehreren Agenturen, darunter Reuters und AP sowie zahlreichen deutschsprachigen Websites, den Beginn indirekter Gespräche über einen Gefangenenaustausch und eine Waffenruhe an. Präsident Abd al-Fattah as-Sisi betonte in seiner Rede zum Jahrestag des Oktoberkrieges, dass „eine Einstellung der Kämpfe, die Rückkehr der Gefangenen, der Wiederaufbau Gazas und der Beginn eines politischen Prozesses, der zur Gründung und Anerkennung des palästinensischen Staates führt, der richtige Weg zu einem dauerhaften Frieden sind“.
Al-Azhar Observatorium lobt daher die diplomatische Rolle Ägyptens und bekräftigt, dass Kairo angesichts seiner langjährigen Erfahrung, seiner festen Haltung zur Unterstützung der gerechten palästinensischen Sache und seines praktischen Modells der Vermittlung, das die humanitäre und die politische Dimension vereint, die zentrale Brücke für jeden gerechten Friedensprozess bleibt. Es wird deutlich, dass der Weg zur Anerkennung des palästinensischen Staates, zum Ende des Krieges und zur Einstellung des Blutvergießens und der Tötungsmaschinerie gegen Kinder und Frauen nicht nur über die Tore Amerikas und Europas führt, sondern sich bis nach Sharm el-Sheikh erstreckt. Dort spielt die ägyptische politische Führung durch ihre Vermittlung und die Schaffung feiner Gleichgewichte eine Schlüsselrolle. Dies könnte der Schlüssel sein, der die Tore des Krieges schließt, um Zivilisten, Kinder und Frauen vor der Flamme eines seit zwei Jahren ununterbrochen tobenden Krieges zu retten.